Erstellt am August 2025
Eine Frau zwischen Alltag und Wäschebergen
Emmas Tage sind streng getaktet. Der Wecker klingelt um sechs, und von da an ist sie im Dauerlauf. Frühstück herrichten, Kinder wecken, ermahnen, sich anzuziehen, Zähne putzen, Schulranzen prüfen – alles muss gleichzeitig laufen. Ihr Mann? Er liegt noch im Bett, trinkt in Ruhe seinen Kaffee, bevor er aufsteht und zur Arbeit geht.
Seine Karriere läuft glänzend. Er wird geschätzt, gelobt, befördert. Emma bewundert ihn – aber in ihr wächst auch eine stille Unruhe. Der Gedanke, dass sie bald 40 wird, lässt sie kurz innehalten. Würde sie auch etwas Eigenes machen wollen? Die Frage schwebt einen Moment in der Luft, doch bevor sie eine Antwort findet, pfeift der Wasserkocher: das Mittagessen muss vorbereitet werden, die Kinder warten, der Alltag ruft.
Früher hatte sie eigene Pläne, eigene Träume. Sie wollte sich beruflich weiterentwickeln, etwas Eigenes aufbauen. Abends, wenn die Kinder endlich schliefen, saß sie am Küchentisch, arbeitete an Online-Kursen im Grafikdesign, übte, lernte, kämpfte um kleine Stücke Freiheit. Ihre Zertifikate liegen ungenutzt in einer Schublade. Wenn sie das Thema anspricht, winkt ihr Mann ab: „Die Kinder sind doch noch klein. Später kannst du alles nachholen.“
Später. Das Wort klingt wie ein Versprechen, aber fühlt sich an wie ein Abgrund.
Emma schaut auf andere Mütter. Diejenigen, die nach dem Sport noch einen Latte trinken, sich Maniküre gönnen, ihre Arbeit oder Hobbys genießen. Ein leises Ziehen meldet sich in ihr, das Gefühl, dass sie selbst etwas verpasst. Und doch spürt sie auch, wie sie diese Frauen verurteilt – für die Karriere, die Reisen, das scheinbar unbeschwerte Leben. Wie können sie nur ihre eigenen Bedürfnisse über die Kinder stellen? Tief in ihr weiß sie, dass sie einfach neidisch ist, und diese Gedanken machen sie zugleich wütend und traurig.
Die Kinder fordern alles von ihr. Ihr Mann sieht sie in erster Linie als Mutter seiner Kinder. Für ihn ist das selbstverständlich: Sie hat die Kinder, also hat sie auch ihr Leben erfüllt. Kochen, einkaufen, Termine, Wäsche – alles liegt an ihr. Er hilft kaum, und wenn sie ihn daran erinnert, sagt er: „Ach, das ist doch Blödsinn – er geht arbeiten, soll er etwa noch kochen oder putzen? Und was macht dann sie bitteschön?“ Manchmal fragt sich Emma, ob zwischen ihnen noch Liebe ist – oder nur Gewohnheit, Pflicht und Abhängigkeit.
Abends, wenn die Kinder schlafen und das Haus still wird, sitzt sie erschöpft auf dem Sofa. Zu müde, um wirklich zu leben, nicht müde genug, um zu schlafen. Sie scrollt durch Instagram: Schulfreundinnen posten Fotos von Traumhäusern, Reisen, glücklichen Paarmomenten. Ihre Männer sind hübscher, ihre Kinder braver. Emmas Kinder sind frech, meistens problematisch, haben Lust auf nichts. Das Gefühl der Leere in ihrer Brust wird noch tiefer. Alles wirkt so unerreichbar.
Emma legt das Handy weg. Im Dunkeln spürt sie die Last ihres Lebens. Sie ist Mutter. Sie muss Mutter sein. Sie hat sich dafür entschieden – und doch meldet sich tief in ihr das Gefühl, dass da mehr hätte sein können. Dass ihr eigenes Leben vielleicht irgendwo wartet, während sie nach außen die perfekte Familie lebt.